Bildgestaltung und Standpunkt

Verglichen mit der herkömmlichen Fotografie basiert die Bildgestaltung bei 360° x 180°-Kugelpanoramen in manchen Aspekten auf anderen Grundlagen. Zu berücksichtigen ist die interaktive Darstellung in einem Viewer-Fenster, das oft auch den ganzen Bildschirm einnehmen kann. Es gibt bei der sphärischen Fotografie keinen typischen Bildausschnitt, alles um den Fotografen herum kommt zur Darstellung. Damit kommt der Wahl des Aufnahmestandpunkts eine entscheidende Bedeutung für die Bildgestaltung zu.

Da häufig extrem weitwinklige Objektive eingesetzt werden und damit der Vordergrund sehr dominant das Rundbild bestimmt, sollte diesem auch inhaltlich eine Bedeutung zukommen. Auf der Suche nach dem richtigen Standpunkt in einer Szene sollte man immer nach diesen kameranahen Details suchen, die am besten noch inhaltlich mit dem Hintergrundmotiv in Bezug treten. Die große Schärfentiefe der Fisheye-Objektive macht es erst möglich, die nah am Objektiv gelegenen Objekte ebenso scharf darzustellen wie den Hintergrund. Tiefe Standpunkte eignen sich für dramatische Tiefenwirkungen, hohe Standpunkte zeigen eine erhabene Vogelperspektive. Beide extremen Standpunkte bleiben dem realen Betrachter einer Szene vor Ort oft verborgen.

Panoramamotive, die die komplette Sphäre zeigen, sind besonders gelungen, wenn zwei oder drei Hauptmotive im Bild vorkommen. Damit steigt die Lust, das Panorama am Computer zu erforschen, zu drehen und zu zoomen. Der Überraschungseffekt beim Entdecken neuer Bildbereiche hinterlässt bei den Usern einen bleibenden Eindruck.

Die Betrachtung und Interaktion mit den virtuellen Panoramen am Rechner entspricht annähernd der Bedienung einer Videokamera beim Schwenken und Zoomen innerhalb einer Szene. Es entsteht eine Art Live-Erlebnis, so, als wenn man selbst die Szene dreht, nur eben mit eingefrorener Bewegung entsprechender dynamischer Objekte. Das Medium der interaktiven Panoramafotografie kann folglich bildgestalterische Aspekte aus Film und Fotografie einsetzen.
Die Bildgestaltung sollte auf das wandernde Auge des Betrachters abzielen. Die Fülle an Bildinformationen in einem Panorama will von den Usern entdeckt werden. Das Kugelpanorama hat mit seiner kinematografischen Komponente das Potenzial, Geschichten zu erzählen und räumliche Zusammenhänge aufzuzeigen. 360°-Motive mit journalistischem Hintergrund belegen dies.

Das Seitenverhältnis und die Größe der darstellenden Computerbildschirme geht zunehmend in Richtung Breitbild, z.B. 16:10, und die Displays werden immer größer. Das kommt dem immersiven Effekt beim Betrachter sehr zugute.

Vor dem Publizieren im Web legt man das Anfangsbild im Panorama fest. Das ist in aller Regel auch eines der Hauptmotive und sollte ein Eyecatcher sein. Beim Drehen des Panoramas erwartet der Benutzer allerdings noch weitere interessante Motive und Details. Dem sollte bei der Motivwahl Rechnung getragen werden, damit sich ein »Aha«-Erlebnis bei den Usern einstellen kann. Das Viewer-Fenster im Webseitenlayout sollte eher breit als hoch sein und schon wie ein typisches Panoramaformat aussehen.

Bei Kugelpanoramamotiven ist auch der Bereich der »Pole«, also Zenit und Nadir, bei der Motivgestaltung mit zu berücksichtigen. Der Himmel nimmt bei freien Außenaufnahmen immer die Hälfte der ganzen Panoramasphäre ein. Ein nur blauer Himmel wirkt meist langweilig, weiße Kumuluswolken z.B. geben diesem Bereich dagegen Struktur und ein interessantes Aussehen. Auch ein schwarzer Himmel bei Nachtaufnahmen ist oft uninteressant anzusehen. Berücksichtigen Sie eher die Stunde der Dämmerung, so können Sie von einem dramatischen Abendhimmel im Panorama profitieren. Hier setzt man gerne Mehrfachbelichtungen und die HDR-Technik ein.

Die Sonne ist bei Außenaufnahmen und wolkenlosem Himmel meistens im Kugelpanorama zu sehen. Soll sie nicht direkt abgebildet werden, kann man sie gegebenenfalls durch die Wahl des Standpunkts z.B. mit einem Baum verdecken. Dann kann auch der Schatten des Panoramafotografen in den Baumschatten gelegt und das lästige Schattenretuschieren so vermieden werden.