Zenit und Nadir fotografieren

Den Zenit- und Nadir-Fotos gilt ein besonderes Augenmerk in der sphäri-schen VR-Fotografie. Sie sind für den besonderen Reiz der Immersion des Computer-Users in die dargestellte Szene verantwortlich und geben ihr den grenzenlosen Charakter einer virtuellen Realität. Die besten interaktiven Kugelpanoramen sind oft solche, die interessante Bildinformationen in diesen Bereichen aufweisen.

Zwar deckt ein hochformatig angeordnetes Fisheye-Objektiv in vertikaler 0°-Position schon einen sehr großen vertikalen Bildwinkel ab, die Bereiche an den Polen werden jedoch nicht abgebildet. Daher muss hier eine Aufnahme gesondert senkrecht nach unten (Nadir) und senkrecht nach oben (Zenit) erfolgen. Der Begriff »Zenit« wird in der Geographie als Senkrechte auf der Horizontlinie definiert. Man kann auch sagen, der Zenit ist der Punkt am Himmel, der sich genau senkrecht über dem Beobachter befindet. Der »Nadir«-Punkt ist dem Zenit genau entgegengesetzt und wird auch als »Fußpunkt« bezeichnet.

Der Einsatz eines VR-Stativkopfes für mehrzeilige Panoramen erleichtert die Aufnahme der Polwinkel, da diese speziell für die sphärische Panoramafotografie konzipiert sind und den +90°- und -90°-Neigungswinkel im No-Parallax-Point ermöglichen.

Zenit (Nordpol)

Beim 360° x 180°-Fotoshooting habe ich mir angewöhnt, den Zenit-Winkel in der zeitlichen Reihenfolge erst nach den ca. 6 bis 12 horizontalen Fotos zu fotografieren, aber noch vor dem Nadir, der etwas mehr Aufmerksamkeit und Zeit erfordert (s.u.). Bei Außenaufnahmen zeigt der Zenit-Bereich oft blauen Himmel oder Wolken. Letzteres Motiv verlangt bei starker Wolken-bewegung einen schnellen Anschluss des +90°-Fotos zur 0°-Reihe, damit das Stitch-Programm später genaue räumliche Zusammenhänge erkennen kann. Die Retusche von Stitch-Fehlern in Wolken gestaltet sich wegen der stark amorphen Formen zum Glück recht einfach.

Je nach Aufnahmehöhe und Abstand zur Kamera sollte man sich bei der Zenit-Aufnahme ggf. etwas ducken, damit das Fisheye den Fotografen nicht mit abbildet.

Empfehlenswert ist es bei der Zenit-Aufnahme – ebenso wie beim Nadir-Shot –, mehr als ein Foto anzufertigen. Hierbei ändert man den horizontalen Drehwinkel, z.B. um 180°. Gegebenenfalls bekommt das Stitch-Programm so mehr hilfreiche übereinstimmende Bildbereiche zum Zusammenfügen.

Wenn man die 360°-Szene mit einem größeren Neigungswinkel als 0° auf-nimmt, also z.B. mit +25°, kann man auch auf den Zenit verzichten, da das Fisheye im oberen Bildbereich den »Nordpol« des Kugelpanoramas schon erfasst. Das geht allerdings auf Kosten der Bildinformation unten. Hier würde sich dann ein zweireihiges Kugelpanorama mit einer zweiten Auf-nahmereihe bei -25° (plus zusätzlichem Nadir-Foto) anbieten.

Kamera am Nodal Ninja-3-VR-Kopf in Zenit-Stellung (+90°).
Kamera am Nodal Ninja-3-VR-Kopf in Zenit-Stellung (+90°).

Nadir (Südpol)

Bei Verwendung eines VR-Kopfes für mehrzeilige Panoramen kann der horizontale Schwenkarm, an dem die Kamera befestigt ist, auch um -90° im No-Parallax-Point gedreht werden, damit der Bodenbereich des Kugelpano-ramas von der Kamera mit Fisheye-Objektiv bildmäßig erfasst wird. Stativ-beine und VR-Kopf selbst sind hierbei immer auch unerwünschter Bestand-teil der Bildinformation, die es später zu retuschieren oder verdecken gilt.

In dieser Position macht es auch Sinn, den Nadir ein weiteres Mal zu foto-grafieren, nachdem das System eine horizontale Drehung von 180° gemacht hat. Der VR-Kopf ist asymmetrisch und verdeckt mit seinem vertikalen Arm auf einer Bodenseite mehr als auf der anderen. Damit die Retusche später relativ mühelos geschehen kann, sollte noch eine weitere Aufnahme vom Boden gemacht werden, wobei diesmal das Stativ nicht im Bild ist. Die einfachste Möglichkeit, diesen »Down Shot« anzufertigen: Man fotografiert aus der Hand, mit ausgestreckten Armen, nachdem man das Stativ zur Seite gestellt hat. Das geht natürlich nur bei entsprechend kurzen Verschlusszeiten, ohne dass Verwacklungsunschärfe auftritt. Man versucht bei dieser Aufnahme, die möglichst gleiche Kameraposition zu finden, die vorher auch am VR-Kopf eingenommen wurde. Den Nadir-Bildmittelpunkt sollte man sich vorher gemerkt oder markiert haben. Letztlich gerät man unweigerlich außerhalb des No-Parallax-Points und nimmt dies in Kauf. Es gibt einfache Bodenmotive, wie Rasen oder Kies, die mit dieser Methode einfach in Photoshop retuschiert werden können. Beim Fotografieren stellt man sich so hin, dass der eigene Körperschatten nicht mit auf das Bild kommt. Ein Mosaik auf dem Fußboden würde, gerade auch bei längeren Verschlusszeiten, nach einer etwas genaueren Fotografie des »zweiten« Nadir-Shots verlangen.

Nodal Ninja-3-VR-Kopf mit versetztem Vertikalarm.
Nodal Ninja-3-VR-Kopf mit versetztem Vertikalarm.

Diese präzisere Methode zur Aufnahme des zweiten Down Shots kann mit den VR-Köpfen angewendet werden, die den vertikalen Befestigungsarm um 180° drehen können, wie z.B. der Nodal Ninja 3. Dabei lässt sich eine Feststellschraube lösen und das Arm-Kamera-System so drehen und auf der horizontalen Schiene an den äußersten Rand schieben, dass das Objek-tiv freie Sicht nach unten hat. Auch bei dieser Methode wird der NPP eher nicht eingehalten, aber als Nadir-Retusche-Hilfsbild reicht es meistens aus. Hier ist beim Ummontieren Vorsicht geboten, da das Wiederanschrauben bei einer mittelschweren Kamera schon recht wackelig sein kann, weil der Schwerpunkt oben und außerhalb der Stativmittelsäule liegt. Auch hier muss man sich den ursprünglichen Bildmittelpunkt im Nadir merken oder markieren. Das Stativ wird etwas zur Seite gestellt, so dass die Sicht nach unten frei ist. Ein Teil der Stativkonstruktion ist zwar jetzt wieder im Bild, aber eben nicht mehr zentral. Das Stativ stellt man dabei nach Möglichkeit so hin, dass sein Schatten nicht mehr ins Bild läuft. Sicherer ist es auch hier, zwei Aufnahmen mit etwas geänderter Stativposition anzufertigen.

Es gibt auch die Möglichkeit, statt den VR-Kopf umzubauen, einen horizon-talen Stativ-Auslegearm für den Nadir-Shot einzusetzen. Damit verlässt man die Stativmittelsäule als Basis für die Drehung und hat so den Bodenbereich frei. Das Stativ sollte jetzt mit einem Gewicht gegen Umkippen gesichert werden. Mein Manfrotto-Stativ 055CXPRO4 bietet beispielsweise eine praktische 90°-Drehung der Mittelsäule aus der Senkrechten in die Waagerechte.

Es gibt Aufnahmemotive im Bodenbereich, die eine umgekehrte Reihenfolge beim Fotografieren der Einzelbilder erfordern. Soll nämlich z.B. eine unberührte Schnee- oder Sandlandschaft ohne Spuren oder Fußabdrücke als Kugelpanorama fotografiert werden, so muss der Nadir zu Beginn der Aufnahmesequenz fotografiert werden, damit die unvermeidbaren Spuren des Fotografen beim Aufbau des Stativs nicht Bestandteil des Panoramabildes werden. Man beginnt dann mit dem Nadir-Shot aus der Hand oder mit versetztem Vertikalarm, gefolgt von dem -90°-Shot im exakten NPP.

Kamera am Nodal Ninja-3-VR-Kopf in Nadir-Stellung (-90°).
Kamera am Nodal Ninja-3-VR-Kopf in Nadir-Stellung (-90°).